Nr. 609 Der Große Generalstab an das Auswärtige Amt, 1. August 1914

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WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 609.


Nr. 609
Der Große Generalstab an das Auswärtige Amt1


Streng geheim                               Berlin, den 1. August 19142
Durch Offizier geschrieben !

6. Mitteilung


N a c h r i c h t e n   b i s   1.   A u g u s t   40   n a c h m.


                                           Ö s t e r r e i c h.

     Für die bisher noch nicht mobilen Korps 1. Mob.-Tag 4. August ;
nehmen Reserven in ihren Ergänzungsbezirken auf. Serbische Grenze
noch nicht überschritten, 1. Batl. 73 (Prag) zum Schutz des Großen
Hauptquartiers nach Süden.

                                             S e r b i e n.

     Paschitsch äußert sich dahin, daß Serbien auf Hilfe Rußlands
und Sympathien Frankreichs und Englands rechnen könne. Das
serbische Heer in recht mißlicher Lage (Mangel an Munition, Ver-
pflegung, Waffen). Am Arala (15 km südlich Belgrad) vorderste
Verteidigungsstellung.

                                        M o n t e n e g r o.

     Keine Angriffsabsichten auf Österreich, will aber Aufteilung
Serbiens nicht zulassen.

                                      G r i e c h e n l a n d.

     Nichts Neues.

                                           R u m ä n i e n.

     Sicherung an bulgarischer Grenze in Kriegsstärke. König Carol
vertritt Ansicht, daß Bulgarien im Falle Eingreifen Rußlands über
Rumänien herfallen würde, öffenthche Meinung gegen Österreich —
Regierung nicht für Unterstützung Rußlands.

                                           B u l g a r i e n.

     Gesandter in Athen hat im Falle des Krieges zwischen Öster-
reich und Serbien offiziell die Neutrahtät Bulgariens erklärt. Bulgarisch-
serbisches Grenzgebiet von serbischen Deserteuren überschwemmt.

                                             T ü r k e i.

     Nichts Neues.

                                           B e l g i e n.

     Nichts Neues.

                                           H o l l a n d.

ist von England gezwungen, auf Seiten des Dreiverbandes zu treten.
Die Mobilmachung für Armee, Landwehr und Marine ist befohlen.

                                        F r a n k r e i c h.

     Befehl zum Einnehmen der Grenzschutzstellungen 31. Juli abends
anscheinend erlassen.
     Im einzelnen : Gegenüber Diedenhofen wahrscheinlich 4.Kav.-Div.
(Sedan). — Westlich Metz Teile des VI. Armeekorps (Verdun).
Nördlich und östlich Nancy XX. Armeekorps (Toul-Nancy). — Nord-
östlich Lunéville Jäger und 2. Kav.-Div. (Lunéville). — In den
Mittelvogesen Teile des XXI. Armeekorps (Epinal). — östlich
Beifort Teile der 14. Inf.-Div. (Petite-Croix).
     Unkontrollierte Nachrichten : Bei Beifort größere Truppen-
ansammlungen.

                                           E n g l a n d.

     Regierung für sofortiges Eingreifen (um die wirtschaftliche
Katastrophe schnell zu überwinden). Stimmung im Volke gegen
Krieg mit Deutschland. Zusammenziehung des Expeditionskorps
für alle Fälle in der Grafschaft Essex geplant. Fieberhafte Tätig-
keit im Kriegsministerium und in den Lagern. Arsenal Woolwich
scharf bewacht. Auf Insel Wight Infanterie-Bataillone und Terri-
torialtruppen. 1. Flotte an Ostküste Schottlands. Wahrscheinlich
3. Flotte heute früh Dover in östhcher Richtung passiert. 2. Flotte
in Themsemündung mit 4 Streuminenschiffen. Kreuzer längs hol-
ländischer Küste und westlich Helgoland. Admiralstab rechnet mit
evtl. Ausschiffung des englischen Expeditionskorps in holländischen
und belgischen Häfen unter Schutz der 2. und 3. Flotte und gleich-
zeitiger enger Blockierung der deutschen Bucht durch 1. Flotte.

                                            I t a l i e n.

     K. österreichischer Mihtärattaché versichert, daß Italien seinen
Bündnisverpflichtungen getreu nachkommen werde.

                                           S c h w e i z.

     Nach Dekret vom 31. Juli ist die Einnahme der Picketstellungen
befohlen. Erforderlichenfalls soll Mobilisation erfolgen. Der Land-
sturm wird einberufen ; Maßregeln richten sich weder gegen Deutsch-
land noch gegen Frankreich.

                                         S c h w e d e n.

     Wahrscheinlich an der Seite des Dreibundes, da Stimmung des
Volkes gegen Rußland.

                                         D ä n e m a r k.

     13 000 Mann für Seebefestigungen, 14 000 Mann für Flotte3 ein-
berufen. Maßnahmen nur, um erregte öffentliche Meinung, welche
zur Aufrechterhaltung der Neutralität Maßnahmen verlangt, zu
beruhigen.

                                         N o r w e g e n.

     Reservisten sind zur Zeit eingezogen, Regierung hält zunächst
weitere Einziehungen nicht für nötig. Mit England anscheinend
keine Abmachung.

                                           S p a n i e n.

     Nichts Neues.

                                           R u ß l a n d.

     Die Nachrichten, daß Rußland das westliche Weichselufer zu
räumen beabsichtigt, verdichten sich. Starke Kavallerie mit Infanterie
(14. Kav.-Div.) steht noch bei Tschenstochau. Kalisch scheinbar noch
besetzt. Bahnlinie Kalisch— Sieradz an mehreren Stellen unterbrochen.
Bei Sieradz noch Teile 13. Kav.-Div. festgestellt (Patrouillen bei
Siemianitze). Weiter nördlich Grenzschutz im Zurückgehen gemeldet.
Nachrichten über 15. Kav.-Div. fehlen. östlich der Weichsel in
Gegend Tschechanow Detachement aller Waffen eingegraben. Über
6. Kav.-Div. keine neuen Nachrichten. Bei Kölns4 anscheinend Siche-
rungstruppen des 15. Armeekorps. Bei Schtschutschm Sicherungstruppe
des VI. Armeekorps. Bei Grajewo noch starke Kavallerie (4. Kav.-Div.).
Bei Lomscha wahrscheinlich Versammlung XV., bei Osowjetz VI. Armee-
korps, vermutlich mit 16. Inf.-Div. zusammen. Meldungen über
Kavalleriebewegungen aus Gegend Suwalki in südlicher Richtung
sind eingelaufen. Augustow soll stark belegt sein. Bei Wirballen
Lage unverändert. Über Festungen Nowo Georgiewsk und Lomscha
liegt Meldung vor, daß sie nicht armiert bleiben, während an der
Armierung von Osowietz fieberhaft gearbeitet wird. Die Balm Osowietz-
Grajewo ist gründlich zerstört. Über Strecke Mlawa— Tschechanow
bedürfen derartige Nachrichten noch der Bestätigung. Größere Truppen-
transporte werden gemeldet von Moskau in Richtung Smolensk und
von Warschau in Richtung Brest. Meldungen über Truppenver-
sammlungen bei Kjelze-Iwangorod wiederholen sich.

                                                                           I. A.

                                                       v o n   B a r t e n w e r f f e r
                                                                         Major


1 Nach der vom Generalstab übersandten Vervielfältigung. Siehe Nr. 524.
2 Eingangsvermerk: 1. August nachm. Hat Zimmermann und Jagow am
1. August vorgelegen.
3 Nr. 532 und 560 geben 1300 und 1400 Mann an.
4 So in der Vervielfältigung.