Nr. 658 Der Botschafter in Rom an den Reichskanzler, 2. August 1914

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Nr. 658
Der Botschafter in Rom an den Reichskanzler1


                                                  Rom, den 30. Juli 19142

     Die italienischeRegierung hat jetzt in drei Zeitungen, im »Popolo
Romano«, in der »Tribuna« und im »Giornale d'Italia« ihren Stand-
punkt zu den schwebenden Fragen darlegen lassen. Die offiziösen
Äußerungen gipfeln in folgenden Sätzen:
     Die Lage Italiens ist in ihren Grundlinien klar und bestimmt
festgelegt durch die internationalen Verträge, an welchen mit
größter Gewissenhaftigkeit festgehalten werden wird. Die Richt-
linie, die Italien in der Politik einzuhalten hat, kann nur bestimmt
werden von den eigenen Interessen und von den im Hinblick auf
diese übernommenen Verpflichtungen, welche beide in festem Zu-
sammenhang miteinander stehen. An der Hand der Ereignisse und
ihrer Folgen wird sich das Weitere entwickeln.
     Hiesige deutsche Journalisten betrachten die Erklärung als
günstig für die Dreibundinteressen. Sie werden dabei beeinflußt
von der Tatsache, daß in der ersten Bekanntgabe des Entrefilets des
»Giornale d'Italia« noch ein Satz enthalten war, der eine Spitze gegen
Österreich hatte. In diesem hieß es, daß Italien nicht zulassen
könne, daß eine andere Macht eine Vorherrschaft auf dem Balkan
ausübe. Das Nichterscheinen dieses Satzes in der zweiten und den
folgenden Ausgaben führen sie auf direktes Eingreifen der Regie-
rung zurück. In ihrer optimistischen Auffassung werden sie noch
bestärkt durch eine sehr dreibundfreundliche Rede des nationalisti-
schen Führers Pantaleoni. Sie sagen, daß dieser nicht so aufge-
treten wäre, wenn er nicht gewußt hätte, daß er im Sinne der Re-
gierung spreche.
     Ich kann mich diesem Urteil nicht ohne weiteres anschließen.
Die gewundene Sprache der offiziösen Communiques sowohl als das
Fehlen eines klaren Wortes über die Stellungnahme der Regierung
scheinen mir vielmehr darauf hinzudeuten, daß mit einer sophisti-
schen Auslegung der Vertragsbestimmungen unter allen Umständen
zu rechnen sein wird.
                                                                           F l o t o w


1 Nach der Ausfertigung.
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 2. August nachm.