Nr. 661 Artikel aus dem Berliner Tageblatt vom 2. August 1914 mit Randbemerkung des Kaisers, 2. August 1914: Difference between revisions
(Created page with " WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > '''Nr. 661.'''<hr> <center>Nr. 661</cente...") |
No edit summary |
||
Line 13: | Line 13: | ||
<center>(Telegramm unseres Korrespondenten.)</center> | <center>(Telegramm unseres Korrespondenten.)</center> | ||
London, 1 . August | London, 1 . August<br> | ||
Die liberale englische Presse spricht sich auch heute morgen | Die liberale englische Presse spricht sich auch heute morgen <br> | ||
entschieden dafür aus, daß England sich die F r e i h e i t d e s | entschieden dafür aus, daß England sich die F r e i h e i t d e s<br> | ||
H a n d e l n s vorbehalte. Die »Daily Chronicle« stellt fest, es | H a n d e l n s vorbehalte. Die »Daily Chronicle« stellt fest, es <br> | ||
hänge d u r c h a u s v o n d e n U m s t ä n d e n ab, ob England | hänge d u r c h a u s v o n d e n U m s t ä n d e n ab, ob England <br> | ||
teilnehme oder nicht, und setzt hinzu: »Wir haben für den Fall des | teilnehme oder nicht, und setzt hinzu: »Wir haben für den Fall des <br> | ||
Kriegsausbruchs auf dem Kontinent k e i n e v e r ö f f e n t - | Kriegsausbruchs auf dem Kontinent k e i n e v e r ö f f e n t - <br> | ||
l i c h t e o d e r u n v e r ö f f e n t l i c h t e A b m a c h u n g , die | l i c h t e o d e r u n v e r ö f f e n t l i c h t e A b m a c h u n g , die <br> | ||
unsere F r e i h e i t beschränkt, z u e n t s c h e i d e n , ob wir an | unsere F r e i h e i t beschränkt, z u e n t s c h e i d e n , ob wir an <br> | ||
einem solchen Kriege teilnehmen wollen oder nicht. Dies ist | einem solchen Kriege teilnehmen wollen oder nicht. Dies ist <br> | ||
wiederholt vom Premierminister und Sir Edward Grey erklärt | wiederholt vom Premierminister und Sir Edward Grey erklärt <br> | ||
worden.« Das Blatt meint dann weiter, daß in der Hauptsache die | worden.« Das Blatt meint dann weiter, daß in der Hauptsache die <br> | ||
Kraftprobe zwischen Deutschland und Rußland liege, und sagt dann: | Kraftprobe zwischen Deutschland und Rußland liege, und sagt dann: <br> | ||
»Bevor wir uns zu einer U n t e r s t ü t z u n g R u ß l a n d s ver- | »Bevor wir uns zu einer U n t e r s t ü t z u n g R u ß l a n d s ver- <br> | ||
stehen könnten, wäre es unbedingt notwendig, daß das Auswärtige | stehen könnten, wäre es unbedingt notwendig, daß das Auswärtige <br> | ||
Amt eine Z u s a g e R u ß l a n d s erlangt, daß es seine anti- | Amt eine Z u s a g e R u ß l a n d s erlangt, daß es seine anti- <br> | ||
britische Politik in P e r s i e n u n d Z e n t r a l a s i e n nicht | britische Politik in P e r s i e n u n d Z e n t r a l a s i e n nicht <br> | ||
fortsetzt.« Die konservativen »Times« sagen: »Die Politik Eng- | fortsetzt.« Die konservativen »Times« sagen: »Die Politik Eng- <br> | ||
lands ist klar und unmißverständlich vorgezeichnet. Wir wünschen | lands ist klar und unmißverständlich vorgezeichnet. Wir wünschen <br> | ||
den Frieden und werden weiter unser Äußerstes zu seiner Erhal- | den Frieden und werden weiter unser Äußerstes zu seiner Erhal- <br> | ||
tung tun. Wenn wir uns für gezwungen halten, das Schwert zu | tung tun. Wenn wir uns für gezwungen halten, das Schwert zu <br> | ||
ziehen, so wird es mit dem größten Widerstreben geschehen und | ziehen, so wird es mit dem größten Widerstreben geschehen und <br> | ||
ohne Leidenschaftlichkeit. Was immer geschehen mag, nie kann | ohne Leidenschaftlichkeit. Was immer geschehen mag, nie kann <br> | ||
dies für uns ein Krieg des Nationalhasses sein. Wir haben nichts | dies für uns ein Krieg des Nationalhasses sein. Wir haben nichts <br> | ||
zu nehmen und nichts zu erwerben. Aber wir dürfen nicht mit ge- | zu nehmen und nichts zu erwerben. Aber wir dürfen nicht mit ge- <br> | ||
kreuzten Armen beiseite stehen und ruhig zusehen, wenn u n s e r e | kreuzten Armen beiseite stehen und ruhig zusehen, wenn u n s e r e <br> | ||
F r e u n d e in Gefahr geraten, v e r n i c h t e t z u w e r d e n. | F r e u n d e in Gefahr geraten, v e r n i c h t e t z u w e r d e n. <br> | ||
Täten wir dies, so käme bald die Reihe an uns, und niemand würde | Täten wir dies, so käme bald die Reihe an uns, und niemand würde <br> | ||
dann eine Hand rühren, uns zu retten. Nicht der F r i e d e kann | dann eine Hand rühren, uns zu retten. Nicht der F r i e d e kann <br> | ||
in solchem Augenblick das h ö c h s t e I n t e r e s s e für uns sein, | in solchem Augenblick das h ö c h s t e I n t e r e s s e für uns sein, <br> | ||
sondern das Recht der Selbsterhaltung, das der ganzen Menschheit | sondern das Recht der Selbsterhaltung, das der ganzen Menschheit <br> | ||
gemeinsam ist. Falls wir eingreifen müssen, so wird ganz England | gemeinsam ist. Falls wir eingreifen müssen, so wird ganz England <br> | ||
vor keinem Opfer zurückschrecken, um den Kampf siegreich zu | vor keinem Opfer zurückschrecken, um den Kampf siegreich zu <br> | ||
bestehen.« | bestehen.« <br> | ||
<i>Die englische Flotte deckt Frankreichs | <i>Die englische Flotte deckt Frankreichs <br> | ||
Nordküsien durch Bindung unserer | Nordküsien durch Bindung unserer <br> | ||
Flotte. Das ist Mithilfe eines Bundes- | Flotte. Das ist Mithilfe eines Bundes- <br> | ||
genossen. Statt Haltung eines Neu- | genossen. Statt Haltung eines Neu- <br> | ||
tralen. Denn England hindert die Mit- | tralen. Denn England hindert die Mit- <br> | ||
wirkung meiner Flotte mit meinem | wirkung meiner Flotte mit meinem <br> | ||
Heere, gegen meinen schon im Kriege | Heere, gegen meinen schon im Kriege <br> | ||
gegen mich befindlichen Gegner. Dieser | gegen mich befindlichen Gegner. Dieser <br> | ||
hat unter Bruch des Völkerrechts ohne | hat unter Bruch des Völkerrechts ohne <br> | ||
Erklärung den Krieg begonnen. So | Erklärung den Krieg begonnen. So <br> | ||
kann der Zustand nicht bleiben ! Eng- | kann der Zustand nicht bleiben ! Eng- <br> | ||
land muß unbedingt Farbe bekennen ! | land muß unbedingt Farbe bekennen ! <br> | ||
sofort So oder So ! </i> | sofort So oder So ! </i><br> | ||
<hr> | <hr> | ||
<sup>1</sup> Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 2. August. Vom Kaiser ins Amt | <sup>1</sup> Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 2. August. Vom Kaiser ins Amt <br> | ||
zurückgesandt am 3, August. | zurückgesandt am 3, August. |
Revision as of 15:23, 30 July 2015
WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 661.
London, 1 . August
Die liberale englische Presse spricht sich auch heute morgen
entschieden dafür aus, daß England sich die F r e i h e i t d e s
H a n d e l n s vorbehalte. Die »Daily Chronicle« stellt fest, es
hänge d u r c h a u s v o n d e n U m s t ä n d e n ab, ob England
teilnehme oder nicht, und setzt hinzu: »Wir haben für den Fall des
Kriegsausbruchs auf dem Kontinent k e i n e v e r ö f f e n t -
l i c h t e o d e r u n v e r ö f f e n t l i c h t e A b m a c h u n g , die
unsere F r e i h e i t beschränkt, z u e n t s c h e i d e n , ob wir an
einem solchen Kriege teilnehmen wollen oder nicht. Dies ist
wiederholt vom Premierminister und Sir Edward Grey erklärt
worden.« Das Blatt meint dann weiter, daß in der Hauptsache die
Kraftprobe zwischen Deutschland und Rußland liege, und sagt dann:
»Bevor wir uns zu einer U n t e r s t ü t z u n g R u ß l a n d s ver-
stehen könnten, wäre es unbedingt notwendig, daß das Auswärtige
Amt eine Z u s a g e R u ß l a n d s erlangt, daß es seine anti-
britische Politik in P e r s i e n u n d Z e n t r a l a s i e n nicht
fortsetzt.« Die konservativen »Times« sagen: »Die Politik Eng-
lands ist klar und unmißverständlich vorgezeichnet. Wir wünschen
den Frieden und werden weiter unser Äußerstes zu seiner Erhal-
tung tun. Wenn wir uns für gezwungen halten, das Schwert zu
ziehen, so wird es mit dem größten Widerstreben geschehen und
ohne Leidenschaftlichkeit. Was immer geschehen mag, nie kann
dies für uns ein Krieg des Nationalhasses sein. Wir haben nichts
zu nehmen und nichts zu erwerben. Aber wir dürfen nicht mit ge-
kreuzten Armen beiseite stehen und ruhig zusehen, wenn u n s e r e
F r e u n d e in Gefahr geraten, v e r n i c h t e t z u w e r d e n.
Täten wir dies, so käme bald die Reihe an uns, und niemand würde
dann eine Hand rühren, uns zu retten. Nicht der F r i e d e kann
in solchem Augenblick das h ö c h s t e I n t e r e s s e für uns sein,
sondern das Recht der Selbsterhaltung, das der ganzen Menschheit
gemeinsam ist. Falls wir eingreifen müssen, so wird ganz England
vor keinem Opfer zurückschrecken, um den Kampf siegreich zu
bestehen.«
Die englische Flotte deckt Frankreichs
Nordküsien durch Bindung unserer
Flotte. Das ist Mithilfe eines Bundes-
genossen. Statt Haltung eines Neu-
tralen. Denn England hindert die Mit-
wirkung meiner Flotte mit meinem
Heere, gegen meinen schon im Kriege
gegen mich befindlichen Gegner. Dieser
hat unter Bruch des Völkerrechts ohne
Erklärung den Krieg begonnen. So
kann der Zustand nicht bleiben ! Eng-
land muß unbedingt Farbe bekennen !
sofort So oder So !
1 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 2. August. Vom Kaiser ins Amt
zurückgesandt am 3, August.