Nr. 696 Der Reichskanzler an den Botschafter in London, 3. August 1914

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Nr. 696
Der Reichskanzler an den Botschafter in London1


Telegramm 213                               Berlin, den 2. August 19142 3

     Rußland hat gesamte Wehrmacht während schwebender Ver-
mittlungsverhandiungen mobilisiert, ohne amtliche Mitteilung an
uns und ohne Hinzufügung, daß Maßregel nicht gegen uns gerichtet,
obwohl wir vorher freundschaftlich, aber ernst darauf hingewiesen
hatten, daß Mobilisation gegen uns ernste Gegenmaßregeln er-
zwingen würde, und obwohl Rußland wiederholt feierlichst erklärt
hatte, es beabsichtige nichts gegen uns. Erst am Nachmittage ersten
russischen Mobilmachungstages telegraphierte Zar Sr. M.4, daß er
persönlich Unterlassung jeder feindlichen Handlung gegen uns ver-
bürge. Widerspruch zwischen den nicht anzuzweifelnden Erklä-
rungen des Zaren und Handlungen seiner Regierung im ganzen
Verlauf der Krisis so offenkundig und Haltung der Regierung trotz
entgegenstehender Versicherungen faktisch so unfreundlich, daß wir
uns trotz Versicherung Zaren durch Gesamtmobilmachung schwer
provoziert fühlen mußten. Dies laut Meldung Chelius in deutsch-
freundlicher Umgebung Zaren voll anerkannt. Empörung unserer
öffentlichen Meinung über russische Mobilmachung so groß, daß
Ablehnung der geforderten Demobilisierung als feindlicher, Kriegs-
zustand begründender Akt konstatiert werden mußte, wenn wir
nicht nationale Ehre preisgeben wollten. Übrigens Tatsache, daß
russische Soldaten bereits vor Abgabe unserer letzten Erklärung an
der Grenze auf unsere Soldaten geschossen haben. Beweis, daß soge-
nannte friedliche Mobilmachung unhaltbarer Zustand ist.
                                                                 B e t h m a n n   H o l l w e g


1 Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers.
2 Am 3. August 1255 vorm. zum Haupttelegraphenamt.
3 Siehe Nr. 676.
4 Siehe Nr. 487