Nr. 7. Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler, 2. Juli 1914: Difference between revisions

From World War I Document Archive
Jump to navigation Jump to search
No edit summary
No edit summary
Line 5: Line 5:
:::::::::Wien, den 30. Juni 1914<sup>2</sup>
:::::::::Wien, den 30. Juni 1914<sup>2</sup>


Graf Berchtold sagte mir heute, alles  
::Graf Berchtold sagte mir heute, alles  
deute darauf hin, daß die Fäden der Ver-  
:deute darauf hin, daß die Fäden der Ver-  
schwörung, der der Erzherzog zum Opfer ge-  
:schwörung, der der Erzherzog zum Opfer ge-  
fallen sei, in Belgrad zusammenliefen. Die  
:fallen sei, in Belgrad zusammenliefen. Die  
Sache sei so wohl durchdacht worden, daß  
:Sache sei so wohl durchdacht worden, daß  
man absichtlich ganz jugendhche Leute zur  
:man absichtlich ganz jugendhche Leute zur  
Ausführung des Verbrechens ausgesucht habe,  
:Ausführung des Verbrechens ausgesucht habe,  
<div class="floatleft">hoffentlich nicht<br><br></div> ere Strafe verhängt werden  
<div class="floatleft">hoffentlich nicht<br><br></div> ere Strafe verhängt werden  
könne. Der Minister sprach sich sehr bitter  
:könne. Der Minister sprach sich sehr bitter  
über die serbischen Anzettelungen aus.  
:über die serbischen Anzettelungen aus.  
Hier höre ich, auch bei ernsten Leuten,  
:Hier höre ich, auch bei ernsten Leuten,  
vielfach den Wunsch, es ynüsse einmal gründlich  
:vielfach den Wunsch, es ynüsse einmal gründlich  


<div class="floatleft">jetzt oder nie<br><br></div>
<div class="floatleft">jetzt oder nie<br><br></div>


mit den Serben abgerechnet werden. Man  
:mit den Serben abgerechnet werden. Man  
müsse den Serben zunächst eine Reihe von  
:müsse den Serben zunächst eine Reihe von  
Forderungen stellen und falls sie diese nicht  
:Forderungen stellen und falls sie diese nicht  


<div class="floatleft">
<div class="floatleft">
Line 43: Line 43:
</div>
</div>


akzeptierten, energisch vorgehen. Ich benutze  
:akzeptierten, energisch vorgehen. Ich benutze  
jeden solchen Anlaß, um ruhig, aber sehr  
:jeden solchen Anlaß, um ruhig, aber sehr  
nachdrücklich und ernst vor übereilten Schritten  
:nachdrücklich und ernst vor übereilten Schritten  
zu warnen. Vor allem müsse man sich erst  
:zu warnen. Vor allem müsse man sich erst  
klar darüber werden, was man wolle, denn  
:klar darüber werden, was man wolle, denn  
ich. hörte bisher nur ganz unklare Gefülils-  
:ich. hörte bisher nur ganz unklare Gefülils-  
äußerungen. Dann solle man die Chancen  
:äußerungen. Dann solle man die Chancen  
irgendeiner Aktion sorgfältig erwägen und sich  
:irgendeiner Aktion sorgfältig erwägen und sich  
vor Augen halten, daß Osterreich -Ungarn nicht  
:vor Augen halten, daß Osterreich -Ungarn nicht  
allein in der Welt stehe, daß es Pflicht sei,  
:allein in der Welt stehe, daß es Pflicht sei,  
neben der Rücksicht auf seine Bundesgenossen  
:neben der Rücksicht auf seine Bundesgenossen  
die europäische Gesamtlage in Rechnung zu  
:die europäische Gesamtlage in Rechnung zu  
ziehen und speziell sich die Haltung Itahens  
:ziehen und speziell sich die Haltung Itahens  
und Rumäniens in allen Serbien betreffenden  
:und Rumäniens in allen Serbien betreffenden  
Fragen vor Augen zu halten.  
:Fragen vor Augen zu halten.  


:::::::::von Tschirschky  
:::::::::von Tschirschky  

Revision as of 17:38, 30 April 2015

Nr. 7
Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler1
Wien, den 30. Juni 19142
Graf Berchtold sagte mir heute, alles
deute darauf hin, daß die Fäden der Ver-
schwörung, der der Erzherzog zum Opfer ge-
fallen sei, in Belgrad zusammenliefen. Die
Sache sei so wohl durchdacht worden, daß
man absichtlich ganz jugendhche Leute zur
Ausführung des Verbrechens ausgesucht habe,
hoffentlich nicht

ere Strafe verhängt werden

könne. Der Minister sprach sich sehr bitter
über die serbischen Anzettelungen aus.
Hier höre ich, auch bei ernsten Leuten,
vielfach den Wunsch, es ynüsse einmal gründlich
jetzt oder nie

mit den Serben abgerechnet werden. Man
müsse den Serben zunächst eine Reihe von
Forderungen stellen und falls sie diese nicht

wer hat ihn dazu ermäch-
tigt? das ist sehr dumm!
geht ihn gar nichts an,
da es lediglich Österreichs
Sache ist, was es hierauf
zu thun gedenkt. Nachher
heißt es dann, wenns schief
geht, Deutschland hat nicht
gewollt! ! Tschirschky soll
den Unsinn gefälligst las-
sen! Mit den Serben muß
aufgeräumt werden, und
zwar bald.
versteht sich alles von
selbst, und sind Binsen-
Wahrheiten.

akzeptierten, energisch vorgehen. Ich benutze
jeden solchen Anlaß, um ruhig, aber sehr
nachdrücklich und ernst vor übereilten Schritten
zu warnen. Vor allem müsse man sich erst
klar darüber werden, was man wolle, denn
ich. hörte bisher nur ganz unklare Gefülils-
äußerungen. Dann solle man die Chancen
irgendeiner Aktion sorgfältig erwägen und sich
vor Augen halten, daß Osterreich -Ungarn nicht
allein in der Welt stehe, daß es Pflicht sei,
neben der Rücksicht auf seine Bundesgenossen
die europäische Gesamtlage in Rechnung zu
ziehen und speziell sich die Haltung Itahens
und Rumäniens in allen Serbien betreffenden
Fragen vor Augen zu halten.
von Tschirschky

1 Nach der Entzifferung.
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Arats: 2. Juli nachm. Entzifferung lag dem Kaiser vor, von ihm am 4. Juli zurückgegeben.