View source for Nr. 71. Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt, 19 Juli 1914

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<center>Nr. 71</center>

<center><font size=4>'''Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt<sup>1</sup>'''</font></center><br>

Telegramm 349&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Konstantinopel, den 18. Juli 1914<sup>2</sup><br>

Geheim ! <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Von der angekündigten, aber immer wieder hinausgeschobenen <br>
Demarche Österreichs in Belgrad wird hier bereits als von einer <br>
nicht recht ernst zu nehmenden Angelegenheit gesprochen. Namentlich <br>
in den Kreisen der Triple -Entente ist man fest überzeugt, daß <br>
Serbien die papierenen Forderungen Österreichs sämtlich annehmen <br>
und daß dann alles beim alten bleiben werde. Markgraf Pallavicini <br>
ist sich zwar der Bedeutung des Momentes für die Zukunft des <br>
Dreibundes wohl bewußt, scheint aber selbst zu bezweifeln, daß man <br>
in Wien wirklich kraftvolle Entschlüsse fassen werde. Er erhofft <br>
die Rettung Österreichs weniger von energischen Handlungen seiner <br>
Regierung als von der Anbahnung neuer Bündnisse und möchte <br>
deshalb die Türkei über Bulgarien an Österreich anschließen. Ich <br>
bekämpfe diesen Gedanken lebhaft. Die Türkei ist zweifellos heute <br>
noch vollkommen bündnisunfähig<sup>3</sup>. Sie würde ihren Verbündeten <br>
nur Lasten auferlegen, ohne ihnen die geringsten Vorteile bieten zu <br>
können. Der Anschluß der Türkei an Bulgarien würde Rußlands <br>
Gegenstoß in Armenien geradezu provozieren. Die Politik des Drei- <br>
bundes muß sein, die Türkei bei ihren . . . . . . . . . . . <sup>4</sup> und seine Be- <br>
ziehungen zu ihr so zu gestalten, daß, falls die Türkei nach Jahren <br>
tatsächlich zu einem Machtfaktor werden sollte, die Fäden nicht <br>
abgeschnitten sind. Fürs erste kann man der Türkei nur raten, <br>
jedem politischen Abenteuer fernzubleiben und mit allen Ländern <br>
gute Beziehungen zu unterhalten. Auch die neutrale Türkei wird <br>
immer einige russische Korps an der armenischen Grenze festhalten. <br>

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<hr>
<sup>1</sup> Nach der Entzifferung. <br>
<sup>2</sup> Aufgegeben in Konstantinopel 18. Juli 11<sup>0</sup> nachm., angekommen im Aus- <br>
wärtigen Amt 19. Juli 2<sup>30</sup> vorm. Eingangsvermerk: 19. Juli vorm. Am <br>
19. Juli teilt Jagow durch Erlaß dem Botschafter in Wien mit: »Zur <br>
Information. Der k. Botschafter in Konstantinopel, der von der Pallavicini- <br>
Berchtoldschen Anregung, die Türkei an unsere Mächtegruppe anzu- <br>
schließen, nicht unterrichtet war, schreibt in einem Bericht: ,Markgrat <br>
Pallavicini erhofft die Rettung Österreichs von der Anbahnung neuer <br>
Bündnisse und möchte . . . . . . . . . . festhalten'.« <br>
<sup>3</sup> Siehe [[Nr. 117. Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt, 23. Juli 1914|Nr. 117]]. <br>
<sup>4</sup> Hier fehlen einige Zifferngruppen ; die Worte »Die Türkei bei ihren und« <br>
hat Jagow im Schreiben an die Botschaft in Wien gestrichen. <br>