Difference between revisions of "Nr. 745 Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt, 3. August 1914"
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− | Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt<sup>1</sup> | + | <center><font size=4>'''Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt<sup>1</sup>'''</font></center><br> |
− | Telegramm 172 Rom, den 3. August 1914<sup>2</sup> | + | Telegramm 172 Rom, den 3. August 1914<sup>2</sup><br> |
− | Dringend ! | + | Dringend ! <br> |
− | Marquis di San Giuliano steht auf dem Standpunkt, alle diese | + | Marquis di San Giuliano steht auf dem Standpunkt, alle diese <br> |
− | Akte Frankreichs bildeten nicht casus foederis, da sie nur Konsequenz | + | Akte Frankreichs bildeten nicht casus foederis, da sie nur Konsequenz <br> |
− | des ersten aggressiven Vorgehens Österreichs seien<sup>3</sup>. Meine Ausein- | + | des ersten aggressiven Vorgehens Österreichs seien<sup>3</sup>. Meine Ausein- <br> |
− | andersetzung darüber mit ihm ist bis zu einem Grade der Schärfe | + | andersetzung darüber mit ihm ist bis zu einem Grade der Schärfe <br> |
− | gelangt, daß ihre Fortsetzung bedenklich erscheint. Er wirft uns | + | gelangt, daß ihre Fortsetzung bedenklich erscheint. Er wirft uns <br> |
− | vor, wir hätten das Spiel mit Österreich abgekartet, um Italien vor | + | vor, wir hätten das Spiel mit Österreich abgekartet, um Italien vor <br> |
− | ein fait accompli zu stellen. Man könne aber nicht eine Großmacht | + | ein fait accompli zu stellen. Man könne aber nicht eine Großmacht <br> |
− | in einen solchen Konflikt verwickeln, ohne sie vorher zu befragen. | + | in einen solchen Konflikt verwickeln, ohne sie vorher zu befragen. <br> |
− | Wir müßten nun die Folgen davon tragen, daß Italien sich nicht | + | Wir müßten nun die Folgen davon tragen, daß Italien sich nicht <br> |
− | überrumpeln lasse. Man habe ihm nicht einmal Zeit gelassen, | + | überrumpeln lasse. Man habe ihm nicht einmal Zeit gelassen, <br> |
− | militärisch sich vorzubereiten. So könne man nicht das Land eng- | + | militärisch sich vorzubereiten. So könne man nicht das Land eng- <br> |
− | lisch-französischen Angriffen aussetzen. Dazu kämen die großen Ge- | + | lisch-französischen Angriffen aussetzen. Dazu kämen die großen Ge- <br> |
− | fahren der inneren Lage<sup>4</sup>. Wir würden ja sehen, was in diesem, | + | fahren der inneren Lage<sup>4</sup>. Wir würden ja sehen, was in diesem, <br> |
− | Kampf aus Österreich würde, es sei ein Leichnam, der nicht mehr | + | Kampf aus Österreich würde, es sei ein Leichnam, der nicht mehr <br> |
− | lebensfähig sei. Es würde jetzt ganz vernichtet werden. | + | lebensfähig sei. Es würde jetzt ganz vernichtet werden. <br> |
− | + | Heute soll Neutralitätserklärung offiziell erscheinen. <br> | |
− | Heute soll Neutralitätserklärung offiziell erscheinen. | + | Herr von Kleist meldet, daß S. M. der König beste Absichten <br> |
− | + | geäußert, aber erklärt habe, gegen sein Ministerium könne er nicht <br> | |
− | Herr von Kleist meldet, daß S. M. der König beste Absichten | + | handeln. Der Hauptfehler Österreichs sei, daß es nicht rechtzeitig <br> |
− | geäußert, aber erklärt habe, gegen sein Ministerium könne er nicht | + | Kompensationen angeboten habe<sup>5</sup> <br> |
− | handeln. Der Hauptfehler Österreichs sei, daß es nicht rechtzeitig | + | Dem österreichischen Botschafter hat Marquis di San Giuliano <br> |
− | Kompensationen angeboten habe<sup>5</sup> | + | auf Mitteilung über Artikel 7 geantwortet, daß die bedingte Erklärung <br> |
− | + | Österreich-Ungarns über Artikel 7 ungenügend sei und namentlich <br> | |
− | Dem österreichischen Botschafter hat Marquis di San Giuliano | + | kein Angebot von Kompensationen enthalte<sup>6</sup>. Bericht darüber folgt <br> |
− | auf Mitteilung über Artikel 7 geantwortet, daß die bedingte Erklärung | + | durch von Kleist. Auseinandersetzungen des österreichischen Bot- <br> |
− | Österreich-Ungarns über Artikel 7 ungenügend sei und | + | schafters, mit dem ich durchaus gemeinsam vorgehe, zu Marquis di <br> |
− | kein Angebot von Kompensationen enthalte<sup>6</sup>. Bericht darüber folgt | + | San Giuliano sind auch schon äußerst scharfe. Auch nach semer <br> |
− | durch von Kleist. Auseinandersetzungen des österreichischen Bot- | + | Ansicht sind innere Lage, England und Kompensationen Motive der<sup>6</sup><br> |
− | schafters, mit dem ich durchaus gemeinsam vorgehe, zu Marquis di | + | hiesigen Entschließungen. <br> |
− | San Giuliano sind auch schon äußerst scharfe. Auch nach semer | + | Agenzia Stefani und mehrere Zeitungen sind zur Verbreitung <br> |
− | Ansicht sind innere Lage, England und Kompensationen Motive der<sup>6</sup> | + | von Kriegsnachrichten bereit. Habe auch in Presse betont, daß <br> |
− | hiesigen Entschließungen. | + | k. Regierung Vorgehen Rußlands und Frankreichs als casus foederis <br> |
− | + | für Italien betrachte. <br> | |
− | Agenzia Stefani und mehrere Zeitungen sind zur Verbreitung | ||
− | von Kriegsnachrichten bereit. Habe auch in Presse betont, daß | ||
− | k. Regierung Vorgehen Rußlands und Frankreichs als casus foederis | ||
− | für Italien betrachte. | ||
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− | <sup>1</sup> Nach der Entzifferung. | + | <sup>1</sup> Nach der Entzifferung. <br> |
− | <sup>2</sup> Aufgegeben in Rom 2<sup>0</sup> nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3<sup>20</sup> nachm. | + | <sup>2</sup> Aufgegeben in Rom 2<sup>0</sup> nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3<sup>20</sup> nachm. <br> |
− | Eingangsvermerk: 3. August nachm. Entzifferung am 3. August an den | + | Eingangsvermerk: 3. August nachm. Entzifferung am 3. August an den <br> |
− | Kaiser gesandt. | + | Kaiser gesandt. <br> |
− | <sup>3</sup> Siehe Nr. 664 und 694. | + | <sup>3</sup> Siehe Nr. 664 und 694. <br> |
− | <sup>4</sup> Siehe Nr. 614, 748 und 840. | + | <sup>4</sup> Siehe Nr. 614, 748 und 840. <br> |
− | <sup>5</sup> Vgl. auch Nr. 771. | + | <sup>5</sup> Vgl. auch Nr. 771. <br> |
<sup>6</sup> Siehe Nr. 594. | <sup>6</sup> Siehe Nr. 594. |
Revision as of 22:13, 10 August 2015
WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 4 > Nr. 745.Telegramm 172 Rom, den 3. August 19142
Dringend !
Marquis di San Giuliano steht auf dem Standpunkt, alle diese
Akte Frankreichs bildeten nicht casus foederis, da sie nur Konsequenz
des ersten aggressiven Vorgehens Österreichs seien3. Meine Ausein-
andersetzung darüber mit ihm ist bis zu einem Grade der Schärfe
gelangt, daß ihre Fortsetzung bedenklich erscheint. Er wirft uns
vor, wir hätten das Spiel mit Österreich abgekartet, um Italien vor
ein fait accompli zu stellen. Man könne aber nicht eine Großmacht
in einen solchen Konflikt verwickeln, ohne sie vorher zu befragen.
Wir müßten nun die Folgen davon tragen, daß Italien sich nicht
überrumpeln lasse. Man habe ihm nicht einmal Zeit gelassen,
militärisch sich vorzubereiten. So könne man nicht das Land eng-
lisch-französischen Angriffen aussetzen. Dazu kämen die großen Ge-
fahren der inneren Lage4. Wir würden ja sehen, was in diesem,
Kampf aus Österreich würde, es sei ein Leichnam, der nicht mehr
lebensfähig sei. Es würde jetzt ganz vernichtet werden.
Heute soll Neutralitätserklärung offiziell erscheinen.
Herr von Kleist meldet, daß S. M. der König beste Absichten
geäußert, aber erklärt habe, gegen sein Ministerium könne er nicht
handeln. Der Hauptfehler Österreichs sei, daß es nicht rechtzeitig
Kompensationen angeboten habe5
Dem österreichischen Botschafter hat Marquis di San Giuliano
auf Mitteilung über Artikel 7 geantwortet, daß die bedingte Erklärung
Österreich-Ungarns über Artikel 7 ungenügend sei und namentlich
kein Angebot von Kompensationen enthalte6. Bericht darüber folgt
durch von Kleist. Auseinandersetzungen des österreichischen Bot-
schafters, mit dem ich durchaus gemeinsam vorgehe, zu Marquis di
San Giuliano sind auch schon äußerst scharfe. Auch nach semer
Ansicht sind innere Lage, England und Kompensationen Motive der6
hiesigen Entschließungen.
Agenzia Stefani und mehrere Zeitungen sind zur Verbreitung
von Kriegsnachrichten bereit. Habe auch in Presse betont, daß
k. Regierung Vorgehen Rußlands und Frankreichs als casus foederis
für Italien betrachte.
1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Rom 20 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 320 nachm.
Eingangsvermerk: 3. August nachm. Entzifferung am 3. August an den
Kaiser gesandt.
3 Siehe Nr. 664 und 694.
4 Siehe Nr. 614, 748 und 840.
5 Vgl. auch Nr. 771.
6 Siehe Nr. 594.