Nr. 779 Der Gesandte in Brüssel an das Auswärtige Amt, 3. August 1914

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Nr. 779

Der Gesandte in Brüssel an das Auswärtige Amt1

Telegramm 29 Brüssel, den 3. August 19142

»Bruxelles, le 3 aoüt 1914^

Par suite ä sa note* du 2 aoüt 1914. Le Gouvernement alle- mand a fait connaitre que, d'apres des nouvelles süres, les forces fran^aises auraient Tintention de marcher sur la Meuse par Givet

  • Nach der Entzifferung. — Siehe Nr. 735.
  • Aufgegeben in Brüssel 12^^ nachm., angekommen 7^* nachm. Eingangs-

vermerk des Auswärtigen Amts 3. August nachm. Entzitferung lag dem Kaiser vor, am 4. August ins Amt zurückgelangt Dem Generalstab, Kriegs- ministerium, Admiral tab und Reichsmarineamt mitgeteilt

' Siehe auch I. belgisches Graubuch Nr. 22.

  • Belgisches Graubuch für »par suite a sa note« usw.: »par sa note du

2 aoüt, le Gouvernement allemand«.

et Namur, et que la Belgique, malgre sa meilleure volonte, ne serait pas en etat de repousser son^ secoiirs une marche en avant des troupes fran^aises.

Le Gouvernement allemand s'estimerait dans l'obligation de prevenir cette attaque et de violer le territoire beige. Dans ces conditions, l'Allemagne propose au Gouvernement du Roi de prendre vis-ä-vis d'elle une attitude amicale et s'engage au moment de la paix ä garantir l'integrite du Royaume et de ses possessions dans toute leur etendue. La note ajoute que si la Belgique fait des difficultes ä la marche en avant des troupes allemandes, l'Allemagne sera obligee de la considerer comme ennemie et de laisser le regle- ment ulterieur des deux Etats Tun vis-ä-vis de l'autre ä la decision des armes.

Cette note a provoque chez le Gouvernement du Roi un profond et douloureux etonnement.

Les intentions qu'elle attribue k la France sont en contra- diction avec les declarations formelles que® nous ont ete faites le i^'" aoüt, au nom du Gouvernement de la Republique.

D'ailleurs, si contrairement ä notre attente une violation de la neutralite beige venait ä etre commise par la France, la Belgique remplirait tous ses devoirs intemationaux et son arm^e opposerait k l'envahisseur la plus vigoureuse resistance.

Les traites de 1839, confirmes par les traites de 1870, consacrent rindependance et la neutralite de la Belgique sous la garantie des Puissances et notamment du Gouvernement de Sa Majeste le Roi de Prusse.

La Belgique a toujours ete fidele k ses obligations internationales ; eile a accompli ses devoirs dans un esprit de loyale impartialite ; eile n'a neglige aucun effort pour maintenir et' faire respecter sa neutralite.

L'atteinte k son independance dont® menace le Gouvernement allemand, constituerait une fixe ^ violation du droit des gens. Aucun interet strategique ne justifie la violation du droit.

Le Gouvernement beige, en acceptant les propositions que^® lui sont notifiees, sacrifierait l'honneur de la nation en meme terrips qu'il trahirait ses devoirs vis-ä-vis' de l'Europe.

Conscient du role que la Belgique joue depuis plus de 80 ans dans la civilisation du monde, il se refuse ä croire que l'independance de la Belgique ne puisse etre conservee qu'au prix^^ de sa neutralite.

^ Für »son« im belgischen Graubuch: »sans«. ö Für »que« im belgischen Graubuch: »qui«. ' Für »et« im belgischen Graubuch: »ou«.

8 Zwischen »dont« und »menace« nach belgischem Graubuch einzuschalten: »la« . ' Für »fixe« im belgischen Graubuch: »flagrante«. ^•^ Für »que« im belgischen Gr ubuch: »qui«.

Zwischen »prix« und »de sa neutralite« nach belgischem Graubuch einzu- schalten: »de la violation«.

Si cet espoir etait de9u, le Gouvernement beige est femement d^cide ä repousser par tous les moyens en son pouvoir toute atteinte k son droit.« 

Infolge Unterbrechung telegraphischer Verbindung konnte Tele- gramm erst jetzt befördert werden. Regierung teilt mir mit, daß weitere telegraphische Mitteilung Berlin mir nur gestattet, falls dortigem belgischen Vertreter gleiche Vergünstigung zuteil werde.

Stimmung gegen Deutschland schlecht. Verlautet, daß Hof und Regierung Antwerpen übersiedeln, wo Belagerungszustand und deutsche Kolonie zum Verlassen der Stadt aufgefordert.

Below


Übersetzung (nach dem richtigen Text des belgischen Graubuchs)

In ihrer Note vom 2. August hat die deutsche Regierung mitgeteilt, daß sicheren Nachrichten zufolge die französischen Streitkräfte die Absicht haben, über Givet und Namur gegen die Maas vorzurücken, und daß Belgien trotz besten Willens ohne Unterstützung nicht in der Lage wäre, einen Vormarsch der französischen Truppen abzuwehren.

Die deutsche Regierung halte sich für genötigt, diesem Angriff zuvor- zukommen und das belgische Gebiet zu verletzen. Unter diesen Umständen schlägt Deutschland der Regierung des Königs vor, ihm gegenüber eine freundschaftliche Haltung einzunehmen und verpflichtet sich, bei Friedens- schluß die Integrität des Königreichs und seiner Besitzungen in vollem Um- fang zu gewährleisten. Die Note fügt hinzu, daß, falls Belgien dem Vor- marsch der deutschen Truppen Schwierigkeiten bereitet, Deutschland ge- nötigt sein wird, Belgien als Feind zu betrachten und die spätere Regelung zwischen den beiden Staaten der Entscheidung durch die Waffen zu über- lassen.

Diese Note hat bei der Regierung des Königs tiefes und schmerzliches Erstaunen hervorgerufen.

Die Absichten, die sie Frankreich beilegt, stehen im Widerspruch zu den ausdrücklichen Erklärungen, die uns am i. August im Namen der Re- gierung der Republik gegeben worden sind.

Wenn übrigens entgegen unseren Erwartungen eine Verletzung der belgischen NeutraUtät durch Frankreich staufinden sollte, so würde Belgien alle seme internationalen Pflichten erfüllen und sein Heer würde dem Ein- dringling den kräftigsten Widerstand entgegensetzen.

Die Verträge von 1839, die durch die Verträge von 1871 bestätigt sind, erkennen die Unabhängigkeit und Neutralität Belgiens unter der Bürgschaft der Großmächte und insbesondere der Regierung Sr. M. des Königs von Preußen feierlich an.

Belgien ist seinen internationalen Verpflichtungen immer treu geblieben; es hat seine Pflichten im Geiste loyaler Unparteilichkeit erfüllt, es hat keine Anstrengung gescheut, um seine Neutralität aufrechtzuerhalten und ihr Geltung zu verschaffen.

Der Angriff auf seine Unabhängigkeit, mit dem die deutsche Regierung es bedroht, würde eine flagrante Verletzung des Völkerrechts bilden. Kein strategisches Interesse rechtfertigt die Verletzung des Rechts.

Wenn die belgische Regierung die ihr unterbreiteten Vorschläge an- nähme, würde sie die Rhre der Nation opfern und gleichzeitig ihre Pflichten gegenüber Europa verletzen.

Eingedenk der Rolle, die Belgien seit mehr als 80 Jahren in der Zivili- sation der Welt erfüllt, kann die Regierung nicht glauben, daß die Unab- hängigkeit Belgiens nur um den Preis der Verletzung seiner Neutralität ge- wahrt werden kann.

Falls diese Hoflhung getäuscht würde, ist die belgische Regierung fest entschlossen, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln jeden Anj^riff aut ilir Recht zurückzuweisen.