Nr. 790 Der Reichskanzler an den Botschafter in London, 3. August 1914

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Nr. 790
Der Reichskanzler an den Botschafter in London1


Telegramm 223                               Berlin, den 3. August 19142 3

     Bitte Sir Edward Grey sagen, daß, wenn wir zu Neutralitäts-
verletzung von Belgien schritten, wir dazu durch die Pflicht der
Selbsterhaltung gezwungen würden. Wir befänden uns in mili-
tärischer Zwangslage. Die unselige russische Mobilmachung hätte
uns, die wir bis dahin militärisch uns auf die dringendsten mili-
tärischen Defensivmaßregeln beschränkt hätten, plötzlich in die Ge-
fahr gesetzt, nachdem auch Frankreich schon vorher stark militärisch
gerüstet hätte, von den Fluten von Ost und West verschlungen zu
werden. Die Vorgänge der französischen Mobilmachung hätten ge-
zeigt, daß Mobilmachung eben fatalistisch den Krieg nach sich zieht.
Jetzt müßten wir, eingekeilt zwischen Ost und West, zu jedem
Mittel greifen, um uns unserer Haut zu wehren. Es liege keinerlei
absichtliche Verletzung des Völkerrechtes vor, sondern die Tat eines
Menschen, der um sein Leben kämpft. Ich hätte meine ganze Arbeit
als Reichskanzler daran gesetzt, in Gemeinschaft mit England all-
mählich einen Zustand herbeizuführen, der den Wahnsinn einer
Selbstzerfleischung der europäischen Kulturnationen unmöglich
machte. Rußland habe durch verbrecherisches Spielen mit dem
Feuer diese Absichten durchkreuzt. Ich hoffte bestimmt, daß Eng-
land durch seine Haltung in dieser Weltkrisis einen Grund legen
werde, auf dem nach ihrem Abschluß wir gemeinsam verwirklichen
könnten, was jetzt durch die russische Politik zerstört worden sei.

                                                       B e t h m a n n   H o l l w e g


1 Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand.
2 1025 nachm. zum Hauptelegraphenamt.
3 Siehe Nr. 764. Am Rande die Notiz des Reichskanzlers: »Ich beklage, daß
mir Nr. 234 erst jetzt 9 Uhr vorgelegt wird«