Nr. 850 Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt, 4. August 1914

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WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 4 > Nr. 850.


Nr. 850
Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt1

Telegramm 174
Dringend !

Unser Kampf gegen
Frankreich hat nichts da-
mit zu thun. Es ficht doch
auch an unserer und
nicht Österreichs Seite,
Wenn die Regierung
nichts dagegen thut, na-
türlich, aber doch un-
sinnig.

bestimmt gelogen !

unerhörter Schuft !

und Cadorna?

also er scheidet
ganz aus!

Wien muß unter
allen Umständen
bindende Verspre-
chungen abgeben
und hohe Kompen-
sationen anbieten,
die so verlockend
sind, daß sie ziehen,
hätte schon längst
geschehen sollen8.

Rom, den 4, August 19142

     Oberstleutnant von Kleist sendet folgendes Tele-
gramm für S. M. den Kaiser:

          »An des Kaisers Majestät,

                                                  Berlin, Schloß

     S. M. der König empfing mich heute vormittag
und sagte:

     Trotz seiner gestrigen mehrfachen Bemühungen
verbleibt Regierung auf ihrem Standpunkt der Neu-
tralität. Aktive Hilfeleistung an Verbündete würde
Volk augenblicklich nur als Hilfe für Österreichs3
Vergrojöerungsplane auj dem Bat k an aui lassen, da
Österreich sich bisher nicht einmal definitiv ver-
pflichtet habe, hierauf ZU Verzichten. Volk werde
Deutschland stets mit Österreich zusammenwerfen3,
dsher riskiere Regierung bei aktiver Hilfeleistung
selbst für Deutschland im jetzigen Augenbück Auf-
stand3. Er, König, müsse wiederholen, daß er leider
machtlos sei, da Regierungs ansieht von Mehrzahl der
Deputierten geteilt werde. Selbst soeben zurück-
gekehrter dreibundfreundlicher4 5 Giolitti habe An-
sicht, daß casus foederis nicht vorläge, Land Ruhe
brauche, neutral bleiben müsse, da keine Ver-
pflichtung zu aktiver Hilfeleistung vorliege.

     Tod [Pol]lios6 sei sehr bedauerlich, da er ganz
anderer Ansicht war und sehr großen Einfluß besaß.

     [Drei]7 Reservisten- Jahrgänge jetzt eingezogen,
so daß Kavallerie und Artillerie sowie Marine auf
Kriegsstärke sei, Kompagnien 150 Mann. 3 weitere
Jahrgänge genügten, um aktives Heer annähernd
aufzufüllen. Regierung beabsichtige für »alle Even-
tualitäten« gerüstet zu sein. Auf meine Antwort,
daß, da Eventualität der Hilfeleistung ausschiede,
doch offenbar an aktive Bedrohung Österreichs gedacht
werden müsse, eine andere Eventualität gäbe es
doch nicht, sagte König: man wisse nie, was die
Männer der Regierung tun würden; für den Augen-
blick3 rechne er, der König, damit, daß dies nicht
geschähe.

     Mein Eindruck von Audienzen: Italien ist von
Österreich gereizt und traut ihm Vergrößerungs-
absichten auf dem Balkan zu, denen Österreich his-
hQi nicht bindend entsagte. Wird dieses Mißtrauen
Italiens durch Ausweichen Österreichs verstärkt, oder
wird es bestätigt, so faßt Italien dies als Verletzung
seiner Interessen auf und bereitet sich vor, dies
nicht zu dulden.

     Ich beabsichtige heut Abend abzureisen.

                                                  von Kleisto

     Von Kleist bittet Abschrift an Chef des General-
stabes zu senden.
                                                  F l o t o w


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Rom 510 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt
930 nachm. Eingangsvermerk: 4. August nachm. Entzifferung lag dem
Kaiser vor, am 5. August ins Amt zurückgelangt. Dem Generalstab,
Kriegsministerium, Admiralstab und Reichsmarineamt mitgeteilt. Am
5. August wurde Kleists Meldung telegraphisch dem Botschafter in Wien
»zur vertraulichen Mitteilung« übersandt, 140 vorm. zum Haupttele-
graphenamt.
3 Dieses Wort vom Kaiser zweimal unterstrichen.
4 »freundliche« vom Kaiser zweimal unterstrichen; am Rand zwei Frage-
zeichen des Kaisers.
5 Am Rand zwei Fragezeichen des Kaisers.
6 Das in der Entzifferung fehlende »Pol« im Amt ergänzt.
7 Das in der Entzifferung fehlende Wort »drei« im Amt beigefügt.
8 Der kaiserliche Randvermerk »Wien muß geschehen sollen« 
wurde am 5. August von Jagow telegraphisch dem Botschafter in Wien »zur
vertraulichen Verwertung« mitgeteilt. Entwurf von Bergens Hand
Telegramm 9^^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.