Nr. 91. Der Staatsekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien, 20. Juli 1914
Telegramm 127 Berlin, dejn 20. Juli 19142
Der serbische Geschäftsträger suchte mich heute auf3, um mir zu sagen, die serbische Regierung werde alles tun, um die Bezie- hungen zu Österreich-Ungarn zu bessern und zu befestigen, sie werde jedem Versuch auf serbischem Territorium, der darauf abzielen würde, die Ruhe und Sicherheit der Nachbarmonarchie zu stören, energisch entgegentreten und den Forderungen der k. u. k. Regierung betreffend Verfolgung der Mitschuldigen am Attentat von Sarajevo, wenn solche festgestellt werden sollten, entgegenkommen. Sie würde nur solche Forderimgen, die gegen die Würde und Unabhängigkeit des serbischen Staates gingen, nicht erfüllen können. Die serbische Regierung bäte ims, in Wien im Sinne der Versöhnlichkeit zu wirken. Ich habe mich darauf beschränkt zu erwidern, daß ich die Demarche des Geschäftsträgers in Wien zur Kenntnis bringen würde. Im übrigen habe ich den Geschäftsträger darauf aufmerksam ge- macht, daß die serbische Regierung bisher, trotz der Langmut und der versöhnlichen tmd friedlichen Haltung Österreich-Ungarns während der Balkankrise und trotz unserer fortgesetzten dahin- gehenden Ratschläge, nichts getan habe, um ihr Verhältnis zur benachbarten Monarchie zu bessern, und daß ich es wohl begreifen könne, wenn man jetzt dort energischere Saiten aufzöge. Die Forderungen, die Österreich-Ungarn stellen wolle, seien mir nicht bekannt. Die Demarche des Geschäftsträgers erfolgte offenbar auf Grund eines Zirkularerlasses seiner Regierimg,
J a g o w
1 Nach dem Konzept von Jagows Hand. 2 935 nachm. zum Haupttelegraphenamt. 3 Siehe Nr. 86 und 95.