View source for X. Der Bericht der Ententekommission vom 29. März 1919

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&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Von dem in jeder Beziehung kläglichen, mit der Kautskyschen <br>
Darstellung selbst häufig in Widerspruch stehenden Bericht der <br>
Ententekommission vom 29. März 1919 (Weißbuch Juni 1919, <br>
Nr. 5) wird gesagt, daß er ,,eine ebenso kurze, wie im wesentlichen <br>
zutreffende Skizze der Entstehung des Krieges gibt" (K. Seite 86). <br>
Die Schwäche dieses Machwerks wurde nun aber bekanntlich auch <br>
in den Ententeländern so stark empfunden, daß man sich scheute, <br>
es der deutschen Regierung mitzuteilen, sondern in einer Note vom <br>
20. Mai es als eine ,, Urkunde interner Natur" bezeichnete, die nicht <br>
übermittelt werden könne (Weißbuch Juni 1919 Seite 7). Einige <br>
der Ungeheuerlichkeiten des Pamphlets, das als eine seiner Haupt- <br>
quellen den bayerischen Gesandtschaftsbericht vom 18. Juli in der <br>
illoyalen Eisnerschen Kürzung anführt, seien im nachstehenden <br>
zusammengestellt : <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;1. Dem deutschen Generalstabschef werden Äußerungen in den <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Mund gelegt, die er niemals getan hat. <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;2. Das Wort „Krieg" wird ständig ohne Zusatz gebraucht, <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;in der leicht erkennbaren Absicht, den Leser zu verleiten, an <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;,, Weltkrieg" statt an den ,, serbisch-österreichischen Krieg" <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;zu denken. 

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;3. Die Behauptung, daß Österreich direkte Verhandlungen mit <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Rußland abgelehnt habe, ist in dieser allgemeinen Fassung <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;unwahr. Schon am 25. Juli erging eine Aufklärung über den <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;am meisten beanstandeten Punkt 5 des Ultimatums nach <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Petersburg; fast täglich fanden Besprechungen teils in Wien, <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;teils in Petersburg statt. Endlich wird verschwiegen, daß <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;es sich bei dem direkten Gedankenaustausch um eine deutsche <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Anregung handelte. <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;4. Ebenso wird nicht erwähnt, daß Österreich die vorüber- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;gehend unterbrochenen direkten Besprechungen mit Peters- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;burg gerade auf Grund des von Deutschland geübten Druckes <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;wieder aufnahm. <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;5. Daß die deutsche Regierung ,,alle Vermittlungsversuche zu- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;nichte gemacht habe", ist auch im Kautskyschen Buche über- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;zeugend widerlegt. <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;6. Obwohl in Paris bekannt sein muß, daß das im Weißbuch <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;vom 3. August 1914 nicht enthaltene Zaren telegramm über <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;das Haager Schiedsgericht inzwischen längst auch von <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;deutscher Seite veröffentlicht worden ist, wird im Bericht <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;der Ententekommission der Anschein erweckt, als werde <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;diese Depesche noch immer verleugnet. <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;7. Die russischen Mobilmachungen werden mit Stillschweigen <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;übergangen, sowohl die Teilmobilmachung von 13 Armee- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;korps, die am 29. Juli amtlich mitgeteilt wurde, als auch <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;die Totalmobilisierung, die an demselben 29. insgeheim be- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;gonnen, am 30. abends allgemein angeordnet, am frühen <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Morgen des 31. öffentlich bekanntgegeben wurde. <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;8. Es wird verheimlicht, daß man in Paris schon am Morgen <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;des 31. Juli durch eine Depesche des französischen Bot- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;schafters in Petersburg über die Tatsache der allgemeinen <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;russischen Mobilmachung unterrichtet war (Weißbuch Juni <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;1919, Seite 207). Der Bericht hält noch immer an der groben, <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;seit mehr als fünf Jahren in den Ententeländern verbreiteten <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Unwahrheit über die Reihenfolge der Mobilmachungen fest, <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;er nimmt keine einzige der vielen Fälschungen des russischen <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Orangebuches und des französischen Gelbbuches über diesen <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Punkt zurück. <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;9. Daß die deutsche Mobilmachung am 21. Juli begonnen habe, <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;ist eine wider besseres Wissen ausgesprochene Unwahrheit. <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;10. Aus dem ins Französische entstellt übersetzten Telegramm <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;des deutschen Kaisers vom 1. August, 7^ abends, das jede <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Überschreitung der französischen Grenze verhindern wollte, <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;wird lächerlicher Weise gefolgert, daß „die deutsche Armee <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;auf Grund vorhergehender Befehle mobilisiert und zusammen- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;gezogen worden war". Man kann sich schwer vorstellen, <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;daß die 15 Unterzeichner des Berichts selbst an eine solche <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Torheit geglaubt haben. <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;11. Daß die deutsche Flotte Libau vor Beginn des Kriegszu- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;standes beschossen habe, ist unwahr, <br>

12. Von einem ,, Vormarsch" deutscher Truppen über die fran- <br>
zösische Grenze vor Beginn des Kriegszustandes kann nicht <br>
gesprochen werden. <br>

13. Die Grenzverletzungen sind, wie bei der Ansammlung von <br>
Millionenheeren nach mehr als vierzigjährigem Frieden leicht <br>
erklärlich, auf beiden Seiten sehr zahlreich gewesen, auch <br>
auf deutscher Seite weit zahlreicher, als die jeder Sach- <br>
kenntnis entbehrende Ententekommission annimmt, aber <br>
immerhin noch nicht so zahlreich, wie die Verletzungen <br>
deutschen Gebiets durch französische Truppen (Weißbuch <br>
Juni 1919, Anlage II, und „Deutsche Allgemeine Zeitung" <br>
vom 25. Juni Nr. 297). <br>

14, Daß die deutsche Kriegserklärung an Frankreich nicht aus- <br>
schließlich auf die unzutreffenden und leider nicht genügend <br>
nachgeprüften Meldungen über Bombenwürfe aus Flug- <br>
zeugen sich stützte, sondern in erster Linie Gebietsver- <br>
letzungen auf dem Landwege anführte (D. Nr. 734— 734c), <br>
muß der französischen Regierung bei Abfassung des Be- <br>
richts im März 1919 bekannt gewesen sein, da sie die deutschen <br>
Chiffretelegramme nicht nur im August 1914 völkerrechts- <br>
widrig verstümmeln ließ, sondern später auch selbst zu ent- <br>
ziffern in der Lage gewesen ist. <br>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Die vorstehenden Angaben, die noch nicht erschöpfend sind, <br>
genügen wohl, um zu zeigen, daß der Bericht allerdings ,,kurz" ist, <br>
aber trotz seiner Kürze die Aufgabe löst, auf wenig Raum erstaunlich <br>
viel Unrichtigkeiten zu häufen.